Zwangsläufig immobil

Wir kamen am 20. März 2020 in Windhoek an und hatten, was wir damals aber noch nicht wussten, genau eine Woche bis zum Lockdown der zwei bevölkertsten Provinzen des Landes Khomas und Erongo. Khomas ist die Gegend um Windhoek herum, Erongo die Gegend um Walvis Bay und Swakopmund. Die Ereignisse in der Entwicklung um den Coronavirus überschlugen sich und wir entschieden uns, das Anmieten eines Hauses, das wir erst für die kalte Jahreszeit ab Mai anvisiert hatten, vorzuziehen. Dass wir es hierbei so traumhaft treffen würden, hätten wir kaum erwartet. Wir zogen in ein Haus in einem schönen Estate, das ca. 15 km von Windhoek entfernt liegt. Zum Estate gehören sechs Häuser, die weitläufig über ein grosses Naturgrundstück verteilt liegen. Unsere Vermieter, Peer und Agnes sind gleichzeitig unsere Nachbarn und leben in ihrem Haus mit ihren beiden Pit Bulls, Bella und Leo. Das Grundstück wird durch einen Trupp bewaffneter Guards bewacht, die besonders nachts sehr aktiv sind. Das beruhigt, zumal die Umzäunung selbst für einen einbeinigen Blinden in Rekordzeit zu überwinden wäre. Eigentlich aber ganz schön, weil wir es noch nie besonders attraktiv fanden, nach südafrikanischer Manier hinter Stacheldraht und Elektrozaun zu leben. Die Guards und die Pit Bulls geben uns das Gefühl von hoher Sicherheit, obwohl Namibia ja ohnehin als recht sicher gilt. Bis heute haben wir keinerlei Anzeichen für irgendeine Bedrohung erhalten, noch Berichte über eine Verstärkung von kriminellen Handlungen durch die Corona-Krise gehört. Die aufgeblasenen Erwartungen scheinen auch diesbezüglich schnell an Luft zu verlieren. Gut so!

Trotz allem: Frühstück im Freien

Wir haben uns sehr gut eingelebt. Unsere Tage werden gefüllt durch Frühstück im Freien, Spaziergänge mit und ohne Bella und Leo, Lesen, Kochen und Braaien (wer jetzt nicht weiss, was das ist, hat vorher nicht aufgepasst). Wir sind sehr gut mit hochwertigen und leckeren Nahrungsmitteln versorgt. Die Qualität der Produkte einer nahe gelegenen Biofarm ist sensationell. Wir machen Sport. Und zwar die Übungen, die wir auch unterwegs gemacht haben, nur intensiver und öfter. Wir sind immer wieder froh, dass wir uns auf den Fitnessaspekt auf Reisen sehr gut vorbereitet haben, weil uns das nun schon oft vor chronischen Verspannungen und Schmerzen durchs viele Autofahren und Sitzen bewahrt hat. Und wir bleiben rundum fit.

Ausserdem haben wir nun – Corona sei dank – diesen Blog erstellt. Diesen Aufwand hätten wir unterwegs nicht leisten können. Ausserdem hatten wir selten so gutes Internet wie hier. Und natürlich haben wir uns in die Schlacht des Medienkrieges begeben. Es ist schon faszinierend, aber auch schockierend, in mitten eines derart historischen Ereignisses zu beobachten, wie sich gerade die ganze Welt zerlegt und vieles was einem so lieb und wichtig war, den Bach runter geht.

Ein bisschen mehr Lockdown gefällig?

Wir waren schon erstaunt, aber nicht überrascht, als es hier nach dem Lockdown in die Verlängerung bis zum 4. Mai 2020 ging. Bei insgesamt 0 Toten, 16 Infizierten, von denen die meisten bis dahin schon gesundet waren und keinerlei Berichte über ungewöhnliche Erkrankungsfälle oder Auslastungen von Spitälern haben hier nicht viele Menschen verstanden, warum diese Verlängerung nötig war. Mit „flatten the curve“ hatte das nichts zu tun. Ab 5. Mai 2020 dürfen wir dann wieder durch das Land reisen, müssen Masken in der Öffentlichkeit tragen und dürfen immer noch keinen Rotwein kaufen. Dafür müssen wir aber das Land nicht mit vielen Touristen teilen. Gut für uns, katastrophal für die Namibier. Hier gibt es keine Versicherungen, keine Geld druckende Regierung und nur ganz wenige Menschen haben Ersparnisse. Der fehlende Tourismus erschwert das Leben vieler Menschen auf eine derart dramatische Weise, wie man sich das in Europa kaum vorstellen kann. Andererseits scheint es jetzt von all der Natur, weswegen ja viele Menschen auch in die Ferien fahren, mehr zu geben. Sogar in Namibia, wo der Anteil von unberührter Natur vergleichsweise kaum zu toppen ist, aber auch in vielen anderen Teilen der Welt atmet unsere Welt sichtbar auf. Einen Teil dieser Natur zeigte sich während der auslaufenden Regenzeit in Form von tollen Sonnenuntergängen, die sich von Abend zu Abend in ihrer Schönheit, ihrer Vielfalt und in ihrem Farbenspiel übertrafen.

Krimi und Massenmord

Aber dann guckten wir auch mal wieder Fernsehen, eigentlich und zum Glück kein richtiges Fernsehen, nur Internet-Mediatheken. Hier vermieden wir Corona-Sondersendungen, aktivierten immer wieder das Sonntagabend-Feeling durch das Schauen eines Tatorts. In mancher Woche war dann öfter mal Sonntag. Um dann die Nacht in Ruhe verbringen zu können gibt es die allabendliche Fliegen- und Mückenjagd. Wir wären völlig aufgeschmissen ohne unsere elektrische Fliegenklatsche im Design eines Tennisschlägers. Das hat nur wenig Spass gemacht (und wenn, würde ich das hier nicht zugeben), aber wir waren fast immer so erfolgreich, dass wir von diesen Unsympathen nicht im Schlaf gestört wurden. Und am Morgen gab es keinerlei Hinweise auf diesen Massenmord. Wir haben Mitbewohner die sehr fleissig sind und zuverlässig alle Beweise bis zum Morgengrauen vernichten. Beim Durchfegen der Wohnung fand sich immer nur Staub und Sand, kaum bis keine Insekten. Hier funktioniert das Zusammenspiel der Arten noch in Perfektion. Danke liebe Ameisen oder wem auch immer.

Heute gehen wir mal wieder den Berg hinauf zum Armee-Camp und hoffen, wir treffen die Giraffen, Springböcke, Zebras, Wasserböcke, Impalas, Kudus und Warzenschweine unserer Nachbarschaft. Auf die Paviane können wir verzichten. Und vielleicht wollen die Pit Bulls mit, während die Papageien beim Haus auf uns warten.

6 thoughts on “Lockdown in Windhoek

  1. Yeees! Sali ihr beiden da kommen sie die schönen Fotos, natürlich mit gutem Text angereichert dreimal gerührt geschüttelt und süffig präsentiert.
    Liebe Grüsse Adrian

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