Endlich wieder frei reisen in Namibia

Der Lockruf kam nach dem Lockdown anfangs Mai 2020. Namibia und seine verwaiste Tourismusbranche riefen attraktive Angebote zu noch attraktiveren Preisen aus um die wenigen Namibier, die es sich zeitlich und finanziell leisten können, die permanent hier wohnenden Ausländer und die paar Hängengebliebenen aus ihren lieb gewonnenen Sesseln herauszulocken. Die wirklich unfassbar niedrigen Preise, aber noch mehr die Vorstellung, die Wildnis mit ihren Tieren und riesigen Naturgebieten fast für uns zu haben, lockte sehr. Und so machten wir uns auf in den Etosha Nationalpark, der eine Gesamtfläche von gut der halben Schweiz hat und sich nun in einem Zustand wie vor Jahrzehnten befindet, den es möglicherweise nie wieder geben wird. Und so kam es auch. Dass für diese epochale Erfahrung unser Land Cruiser mal hübsch gemacht werden musste, versteht sich von selbst.

Was man unterwegs so alles erlebt

Auf dem Weg dorthin erlebten wir wieder einmal typisch afrikanische Entspanntheit. Sobald keiner hinschaut, schmelzen die strengen Corona-Regeln in der afrikanischen Sonne dahin. So konnten wir unterwegs mehrfach problemlos im Café sitzen oder unsere schon seit Wochen aufgebrauchten Weinvorräte aufstocken. Alkoholhandel und Gastronomie ausser Take-Away sind eigentlich streng verboten. Und das alles trotz eines gesundheitlich beängstigenden Zustandes, der uns beim Polizei-Checkpoint durch das obligatorische Fiebermessen mit dem Ergebnis von 34,6 Grad bestätigt wurde. Zum Glück mass das Thermometer in die richtige Richtung falsch; in die andere Richtung hätte es schnell mal in einer unerwünschten Quarantäne enden können. Wir benötigten einen Zwischenstopp und übernachteten auf der Sophienhof Lodge. Hier waren wir die einzigen Gäste und überhaupt die ersten Gäste seit langem. Wir wurden hier mit gutem Essen und Trinken verwöhnt und mit so vielen Berichten aus dem Leben der Farmer und den Gegebenheiten vor Ort beeindruckt, aber auch so überfordert, dass nicht alle Infos hängen blieben. Was wir uns ganz genau merken konnten war der Umstand, dass Backen sich lohnt. Der Besitzer der Farm ist ein ostdeutscher Grossbäcker, dem man diesen Titel ansieht und der die Farm mit zugehöriger Lodge betreibt. Er hat über die Jahre angrenzende Farmen aufgekauft, so dass er nun auf einer Fläche des Kantons Zürichs seine Morgentouren dreht. Was kleine Brötchen so alles bewirken können. Die Lodge hatte ein spezielles Gehege für Porcupines alias Stachelschweine. Diese lustigen nachtaktiven Tiere mit ihrem Meer von Stacheln sind nicht nur interessant zu beobachten, sondern auch sehr vermehrungsfreudig, treu, gut schmeckend und echte Garten-Killer. Das alles führt dazu, dass immer wieder einige der Kollegen im Topf des Personals landen. Die Auswilderungsversuche der überzähligen Population führte immer zu einem schnellen Wiedersehen, das mit einer unerwünschten Zerstörung des Gemüsegartens oder anderer Anbauflächen einherging. Während dem Personal immer mal wieder Stachelschwein aufgetischt wird, wird zartbesaiteten Touristen eine gelungene Auswilderung aufgetischt. Jedem was er braucht.

Auf in die Einsamkeit

Am nächsten Tag hatten wir nur noch 100 km zu unserem ersten Etosha-Camp. Okaukuejo, das grösste im Park. Wir kannten es nur rappelvoll und konnten unseren Augen kaum trauen. Kaum Camper, kaum Gäste. Ruhe. Noch mehr Ruhe. Nachdem wir uns kurz das Chalet angeschaut haben, zog es uns in den Busch. Unser erster Game Drive war fantastisch. Wir wurden allerdings von einem Trödelnashorn an der Weiterfahrt gehindert und zur Betrachtung seines Allerwertesten genötigt. Nur wir und das Nashorn. Unbegreiflich. Keine Autos, keine Safari-Mobile. Als wir nach einer ganzen Weile wieder freie Fahrt erhielten, trafen wir auf riesige Herden Zebras, Gnus, Oryxantilopen und Springböcke. Tiere in der späten Nachmittagssonne, soweit das Auge reichte. Irgendwann mussten wir uns losreissen, damit wir es noch vor Schliessung des Tores ins Camp zurück schafften. Auf dem Rückweg trafen wir noch einen Löwen, der dann aber bald aus unseren Sichtfeld verschwand. Zurück im Camp und nach dem Abendessen verbrachten wir noch etwas Zeit am Wasserloch, die wir mit sechs Nashörnern und drei anderen Gästen verbrachten. Dass dort mehr Nashörner als Gäste sind, hat die Welt auch noch nicht oft gesehen. Die ersten Stunden im Park waren derart spektakulär, dass wir uns schon sehr auf die nächsten Tage freuten.

Etwas Luxus darf sein

Am nächsten Tag ging es gen Westen zur Dolomite Lodge. Diese Lodge gehört zur gehobenen Klasse im Etosha. Die einzelnen Chalets liegen alle am oberen Rand eines Hügelkamms, zehn sind gegen Sonnenaufgang, die anderen 10 gegen Sonnenuntergang ausgerichtet. Da man dieser Gegend eine relative Tierarmut nachsagt, haben wir unsere Erwartungen darauf eingestellt. Die mehrstündige Hinfahrt begann ähnlich spektakulär wie der vorherige Nachmittag geendet hat. Die üblichen Verdächtigen wie Zebra, Gnu, Giraffe, Springbock, Strauss und Schakal hier und da angereichert mit ein oder zwei Elefanten begleiteten unsere Fahrt erst auf den grossen Ebenen bei Okaukuejo dann von Wasserloch zu Wasserloch bis in den Westen des Parks. Ein Highlight war ein fast schwarzes Zebra, das in seiner Herde nicht nur befremdlich aussah sondern auch so zu fühlen schien. Für eine Imbisspause nutzten wir das Olifantsrus Camp. Dieser sonst gut gebuchte Campingplatz machte einen traurigen Eindruck so fast ohne Besucher. Wir trafen dort ein südafrikanisches Pärchen, das ihren Wohnsitz nach Namibia verlegt und auch im Dolomite gebucht hatte. Da aber dort keine Kochmöglichkeit bestand und der Service nach dem Lockdown noch nicht wieder auf Touren war, grillten sie sich ihr Mittag-und Abendessen. Die Bedeutung, die die beiden für uns an dem Tag noch bekommen würden, erahnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Wir liessen uns über den Nachmittag hin von Wasserloch zu Wasserloch treiben, so dass wir gegen 17:00 Uhr Dolomite erreichten. Auf dem Parkplatz der Lodge angekommen, warteten wir auf die Abholung durch das Personal. Die Gäste werden normalerweise mit kleinen Golfkarts vom Parkplatz zur Rezeption und dann weiter zu den Chalets gefahren. Aber es kam kein Golfkart, so dass wir uns erlaubten mit unserem schweren Land Cruiser den Weg zur Lodge zu erklimmen um uns dort anzumelden. Als wir oben waren, entdeckten wir weder Personal noch offene Räume. Wir waren auf einer Geisterlodge gelandet. Nur Audrey und Boela, das südafrikanische Pärchen, zeugten hier von Leben. Und nun? Die Aussicht, zum Campen nach Olifantsrus zurückzufahren erschien wenig attraktiv. Aber Rettung nahte. Audrey war am Telefonieren. Sie kannte nicht nur eine kleine Ecke, wo es Empfang gab, sondern auch noch jemanden, der jemanden kannte, der scheinbar in der Lage war die Lodge kurzfristig mit Personal auszustatten. Während wir warteten, improvisierten wir unser Abendessen am Swimmingpool. Leckere Snacks und eine Flasche illegal erworbenen Rotwein. Da die nächste Möglichkeit von der Hilfe gesandt werden konnte 45 km entfernt war, rechneten wir mit genug Zeit für unser Picknick. Da hatten wir die Rechnung aber ohne die blitzschnellen Ferrari-Land Cruiser mit neun Personen Besatzung und Düsenantrieb gemacht. Nach knapp einer halben Stunde war die Lodge komplett bemannt und wir erhielten schnell unser Chalet mit eigenem Swimmingpool und Blick auf die umliegenden Ebenen und den Sonnenuntergang. Wahnsinnsblick. Hier blieben wir zwei Nächte, genossen Sonnenuntergänge und den morgendlich brüllenden Löwen, der nach seinem Wasserlochbesuch majestätisch an unserem Balkon vorbei patrouillierte. Auch die anderen üblichen Verdächtigen beobachteten den Löwen ganz genau. Mit Tierarmut hatte diese Gegend diesmal nicht viel zu tun. 

Löwen satt

Nach zwei Nächten machten wir uns dann wieder auf, um mit einer Übernachtung in Okaukuejo nach Halali weiterzufahren. Auf dem Weg nach Halali gab es Löwen satt. Zuerst gleich hinter Okaukuejo eine Gruppe von einem Löwen mit drei Löwinnen. Imposant, wie sie dort in der Morgensonne im Gras lagen und wir waren dankbar für jede Bewegung, die sie uns spendierten. Und wieder waren wir allein, was auch bei den dann folgenden Begegnungen so bleiben sollte. Etwas später am Vormittag durften wir Zeugen bei der Bemühung eines Löwenpärchens ihre Art zu erhalten werden. Da dies immer eine langwierige und zuweilen lautstarke Angelegenheit ist, rief das Manöver noch weitere Spanner auf den Plan. Eine Gruppe Zebras zeigte reges Interesse und auch die Springböcke luscherten immer mal wieder rüber. Für uns war erstaunlich, dass die Löwen es inmitten dieser grossen Herden an Beutefutter trieben, ohne irgendein anderes Tier dabei nervös zu machen. Stunden später trieb es uns weiter. Dann gab es noch sechs faule, schattenliebende Löwen beim Schlafen zu betrachten. 

Warum das richtige Werkzeug wichtig ist

Kurz vor Halali fuhren wir plötzlich auf ein schräg auf der Fahrbahn platziertes Fahrzeug zu, deren Insassen sich um das Auto herum bewegten. Krass. Ein No-Go. Streng verboten! Als wir uns dem Fahrzeug näherten, sahen wir, dass es eine Panne hatte. Die jungen Leute waren bei der Durchquerung des Parks, der für sie nur eine Abkürzung darstellte, auf gerader Strecke wahrscheinlich mit zu hoher Geschwindigkeit von der Strasse abgekommen und hatten sich bei diesem Manöver die Felge ihres Hinterrades so verbogen, dass die Luft aus dem Reifen entwichen ist und der Reifen nur unter erheblichen Anstrengungen zu wechseln war. Wir halfen mit Werkzeug und ein paar Regieanweisungen aus und nach gut 1,5 Stunden ging es für alle wieder weiter. Werkzeug nahmen wir wieder mit, liessen dafür ein paar allgemein-bildende Infos da. Wie etwa: „Löwen töten tatsächlich Menschen“ und „Hohe Geschwindigkeit auf Schotterstrassen tötet noch mehr Menschen“. Bei diesen Themen hatten die fünf in der Schule wohl nicht ganz aufgepasst.

Ein überraschendes Wiedersehen

In Halali hatten wir ein einfaches, aber schön gelegenes Chalet. Wir konnten uns der Illusion hingeben, dass wir ganz allein im Busch wohnten, weil das Chalet so schön am Rande des Camps platziert war. Ansonsten das gleiche Bild wie schon in den Camps vorher: gähnende Leere, wenig Besucher. Am nächsten Tag ging es weiter nach Namutoni, dem östlichsten Camp des Parks. Hier war die Leere noch gähnender. Kurz vor dem Camp wurden wir von einem Land Cruiser überholt, der unserem etwas ähnelt und uns bekannt vorkam. Wir meinten, dass es das Fahrzeug sein könnte, welches wir vor einigen Monaten auf unserem Stellplatz bei African Overlanders in Kapstadt gesehen haben. Besonderes Merkmal dieses Toyotas war seine gute Ausstattung und seine spezielle Farbe. Postautogelb.  Auf Namutoni stellten wir die beiden Insassen zur Rede und bekamen unsere Vermutung bestätigt. Ilana und Davide aus Tel Aviv kauften im Januar den Cruiser für einen 1-jährigen Trip durch Afrika und durften nun corona-bedingt Namibia etwas intensiver kennenlernen. Wir verbrachten einen schönen Abend zusammen und verabredeten uns für den nächsten Abend in der Onkoshi-Lodge.

Wettrennen mit einer Hyäne

Auf unseren morgendlichen Game Drive war eine Hyäne, der wir uns über eine lange Strecke näherten, unser Highlight. Als sie unsere Absicht, ihr den Weg zwischen Savanne und Busch abzuschneiden, erkannte, setzte sie zu einem unglaublichen Sprint an. Trotzdem ich unseren Land Cruiser zu ungewohnten Höchstleistungen antrieb, gewann die Hyäne den Wettlauf. Unser Auto braucht ein Tuning. Während der Fahrt zum Onkoshi Camp haben wir Giraffen in selten erlebter Anzahl gesehen. Immer wieder trafen wir grosse Gruppen dieser faszinierenden Spezies, die irgendwie nicht von dieser Welt zu sein scheint. 

Ostsee-Feeling

Onkoshi, die zweite Luxuslodge auf diesem Trip, begeisterte dadurch, dass sie direkt an der Etosha-Pfanne liegt und diese hier Wasser führte. Und so bekamen wir irgendwie das Gefühl an der Ostsee im Strandhaus zu wohnen. Der Blick war wunderschön, was sich mit sich absenkender Sonne noch verstärkte. Tiere gab es hier nicht zu bestaunen. Wir erhielten unser Abendessen in Plastikverpackung und durften es auf dem Balkon verspeisen. Mit ein bisschen gut Zureden wurde das Essen dann doch vorher auf Porzelanteller umdrappiert. Man merkte dem Personal an, dass es wenig Erfahrung mit coronaregelkonformen Service hatte. Machte aber nichts. Es gab ja weit und breit kein Corona. Der nächste und letzte Tag im Etosha verlief grösstenteils ungewohnt arm an Tierbegegnungen. Das war ganz praktisch, weil dadurch die lange Strecke zurück zum Okaukuejo Camp schneller zu bewältigen war. Und dort wurden wir durch eine grosse Elefanten-Gruppe grosszügig entschädigt. Wir nahmen uns zusammen mit Ilana und Davide ein grosses, doppelstöckiges Chalet direkt am Wasserloch und hatten dadurch direkten Überblick über die Geschehnisse. Elefanten kamen und gingen bis in die Nacht. Vielleicht auch noch länger, aber das bekamen wir dann irgendwann nicht mehr mit.

Bye-bye Etosha…

Damit endete der eindrucksvollste unserer Etosha-Besuche. Einige Eindrücke werden wohl nur noch bis zur Rückkehr der touristischen Aktivitäten wiederholbar sein. Dann geht dieser Park wieder in seinen Zoomodus zurück. Das muss dann ohne uns passieren. Good bye Etosha.

One thought on “Nie wieder Etosha

  1. Hi Ihr Beiden,

    seit 13 Wochen eingelocht in unserer Huette in Hout Bay, gepaart mit schwindender Hoffnung auf unsere geplante Kaokoveld Tour dank der Corona Hysterie, sind wir ja gar nicht neidisch auf Eure Namibia Exil Erlebnisse. Geniesst es weiterhin, Uwe&Biene

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